Gesprächsrunde zur Verstetigung der Schulsozialarbeit
Der Kreiskinder- und Jugendring Wittenberg e.V. (KKJR WB e.V.), als Dachverband von 17 Mitgliedsvereinen,
führte am 09.05.2019 um 15.30 Uhr im Soziokulturellen Jugendzentrum „Pferdestall“ in Wittenberg
eine Gesprächsrunde zur „Verstetigung der Schulsozialarbeit“ durch.

Den Auftrag dafür erhielt der ehrenamtliche Vorstand des KKJR WB e.V.
vom Jugendhilfeausschuss und der Steuergruppe „Schulerfolg sichern“.

Insgesamt 27 Personen diskutierten angeregt miteinander,
darunter S. Borgwardt Mitglied des Landtages der CDU Fraktion,
Th. Lippmann Mitglied des Landtages der LINKEN Fraktion,
M. Lieschke, Mitglied des Landtages der AfD Fraktion,
Vize-Landrat Dr. J. Hartmann,
die Jugendhilfeausschussvorsitzende C. Reinecke,
Jugendhilfeausschussmitglieder,
Mitglieder des Ausschusses für Schule und Kultur,
Ch. Kreuzmann Schulleiterin der Sekundarschule „Heinrich-Heine“ in Reinsdorf,
Schulsozialarbeiterinnen des Internationalen Bundes, der Arbeiterwohlfahrt und des Reso Witt e.V.,

sowie Schülerinnen und Schüler
der Ganztagsschule Friedrichstadt Wittenberg,
der Ganztagsschule Ernestine Reiske in Kemberg,
der Förderschule an der Lindenallee in Gräfenhainichen
und die 5 ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder des Kreiskinder- und Jugendring Wittenberg e.V.

Die Gesprächsrunde moderierte M. Werner, Vorsitzender des Unterausschuss Jugendhilfeplanung.

Einführend stellte die Leiterin der Netzwerkstelle „Schulerfolg sichern“ des Landkreises Wittenberg, S. Ulbrich,
den Anwesenden den „Imagefilm der Schulsozialarbeit im Landkreis Wittenberg“ vor.

Im Anschluss daran erläuterte sie Zahlen und Fakten zur Schulsozialarbeit im gesamten Landkreis.

Die Schulleiterin der Sekundarschule „Heinrich-Heine“ in Reinsdorf berichtete über eine Unterbrechung
der Schulsozialarbeit über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren,
da sich die dort angestellte Schulsozialarbeiterin in Elternzeit befindet.

Die Schulleiterin berichtet von Überlastungsanzeigen vom Lehrpersonal, Lehrern im Krankenstand und
Problemen mit Schülern während dieser Zeit.
Sie lobt ausdrücklich die erfolgreiche Unterstützung und die angeregte Netzwerkarbeit
(mit Beratungsstelle, Kliniken, Ärzten, psychiatrische Tageskliniken ect.) durch die Schulsozialarbeiterin in der Vergangenheit.

Schulsozialarbeiter und Lehrer arbeiten gleichberechtig und auf Augenhöhe miteinander.
Kein Lehrer schaffe es, sich derart intensiv mit problematischen Einzelfällen zu befassen.

Kristin Knoll, Schulsozialarbeiterin der Ganztagsschule Friedrichstadt Wittenberg berichtet über
einen Einzelfall aus ihrer 9 Jährigen Dienstzeit in einer Wittenberger Förderschule.

Der Schüler L. wird seit der 2. Klasse durch die Schulsozialarbeiterin begleitet.
Der zunächst ruhige und in sich gekehrte Schüler wird mit der Zeit zunehmend auffälliger.
Er kommt stets übermüdet und zu spät zum Unterricht, verfügt über ein hohes Gewaltpotenzial gegenüber Mitschülern und Lehrer.

In zahlreichen Gesprächen und methodischen Spielen im Rahmen der Einzelfallhilfe, erfährt die Schulsozialarbeiterin von L.,
dass er aus einer sozial benachteiligten Familie kommt, die Eltern sind nicht erwerbstätig.
L. versorgt bereits in den Morgenstunden seine 6 jüngeren Geschwister.

Die Schulsozialarbeiterin fing ihn mit all seinen Problemen auf, nahm bei Hausbesuchen Kontakt zu den Eltern auf,
arbeitet mit anderen Sozialhilfeträgern zusammen.
L. wurde einige Zeit in einem Kinderheim untergebracht und nahm in der Schule an einen Antigewalttraining teil.
Im Anschluss daran reiste er mit seinen Mitschülern im Rahmen der Schulsozialarbeit an die Ostsee.
Dort angekommen, bedankte er sich vor Rührung weinend bei der Schulsozialarbeiterin.

Mittlerweile hat er erste Praktika absolviert und besucht derzeit die Sekundarschule um den Hauptschulabschluss zu erlangen.
Nach dem Schulabschluss möchte der Schüler einen handwerklichen Beruf, wie Maurer, erlernen.

Die Schulsozialarbeiterin hat wöchentlich Kontakt zu 40 Schülern mit Einzelfallproblematiken.
Insgesamt lernen 550 Schüler an dieser Ganztagsschule.

An einer Förderschule in Gräfenhainichen mit insgesamt 80 Schülern,
kontaktiert die zuständige Schulsozialarbeiterin wöchentlich ca. 15 – 17 „Einzelfälle“.

Die anwesenden Schüler schätzen an den Schulsozialarbeitern, das aufgebaute Vertrauensverhältnis,
sie seien ständig verfügbare Ansprech- und Gesprächspartner, die das ihnen Anvertraute für sich behalten.
Die Angebote der Schulsozialarbeiter wie Gruppenarbeit (gemeinsame Kochprojekte, Sportturniere, Entspannungstechniken, ect.),
Präventionsprojekte, Tagesfahrten und Ferienlager sind bei den Schülern besonders beliebt.


Die anwesenden Vertreter der Landtagsfraktionen äußerten sich positiv zur Schulsozialarbeit.

S. Borgwardt (CDU) unterstreicht den Erfolg der Schulsozialarbeit in den letzten 10 Jahren.
Seine Fraktion unterstützt die Weiterführung des Programmes.
Seit Anfang Mai liegt eine Beschlussvorlage dem Landtag vor, dass für die Jahre 2020 und 2021
insgesamt 13.579.000,00€ für die Weiterführung im Landeshaushalt eingestellt werden.

Diese 100 % Förderung würde auch genügen, im Falle die ESF-Förderung würde eingestellt werden sollen.
Allerdings sieht auch seine Fraktion einen deutlichen Mehrbedarf an Schulsozialarbeiter-stellen.
Über eine Förderung ab 2022 kann an dieser Stelle noch nicht beschieden werden.

Der Vertreter der FDP-Fraktion des Kreistages, K.-D. Richter schlägt eine Novellierung des Schulgesetzes vor.
Seine Fraktion möchte zukünftig nicht jedes Jahr neu über die Förderung diskutieren und kämpfen müssen.

Die Jugendhilfeausschussvorsitzende C. Reinecke, berichtet über den jahrelangen Kampf des Jugendhilfeausschusses
für die Verstetigung der Schulsozialarbeit. Weiterhin spricht sie sich für einen nahtlosen Übergang der Förderung aus.

Th. Lippmann Fraktionsvorsitzender der LINKEN Fraktion des Landtages, berichtet, dass seine Fraktion bereits
seit 2016 die Verstetigung der Schulsozialarbeit im Landtag thematisiert.
Er beschreibt, wie sich Schule in den vergangenen Jahren vom klassischen Lernort zum Lebensraum (Ganztagsschulen) von
Kindern und Jugendlichen entwickelt hat. Auch die Probleme an Schulen seien differenzierter geworden.
Mobbing in jeglicher Form nehme kontinuierlich zu.

Da Schüler Lehrer oftmals als Lehrkraft und nicht als Vertrauensperson wahrnehmen, sei der Schulsozialarbeiter
ein wesentlicher Bestandteil an Schulen.
Lehrer nehmen ihren Bildungsauftrag wahr, das heißt, sie sind für das Lehren zuständig.

Th. Lippmann spricht sich ausdrücklich für multiprofessionelle Teams zur Lösung schulischer und
persönlicher Problemlagen von Schülern aus. Die LINKE kämpft weiterhin für eine Verpflichtungsermächtigung
zum Erhalt der Schulsozialarbeit über das Jahr 2022 hinaus.

Von insgesamt 800 Schulen in Sachsen-Anhalt gibt es lediglich an 380 Schulen einen Schulsozialarbeiter.
Die LINKE fordert die Aufstockung der Stellen auf 800. Weiterhin spricht Th. Lippmann den Lehrermangel im Land an.
Trotz der bereitgestellten finanziellen Mittel durch das Land, finden sich nicht genügend Lehrer,
um die fehlenden Stellen zu besetzen. Er fordert, die Schulsozialarbeit aus der klassischen Projektförderung
herauszulösen, und sie als Dauerförderung vom Land zu etablieren.

Auch M. Lieschke, Mitglied des Landtages der AfD Fraktion und des Ausschusses Schule und Kultur,
sprach sich positiv für den Erhalt der Schulsozialarbeit aus.
Allerdings äußerte er, dass sicher nicht an jeder Schule in Sachsen-Anhalt ein Schulsozialarbeiter benötigt würde.
An einigen Schulen gäbe es sehr engagierte Lehrer und Vereinsvertreter, die auf die Schüler positiv einwirken.
Ihm fehle die Hoffnung, dass die Schulsozialarbeit verstetigt wird.
Auch dem Landkreis Wittenberg fehlen die finanziellen Mittel dazu.

M. Werner, Vorsitzender des Unterausschuss Jugendhilfeplanung, bittet M. Lieschke,
seine positive Äußerung zur Schulsozialarbeit aus der Gesprächsrunde
mit in die Fraktion zu nehmen und zu kommunizieren.

Weitere Aktionen zum Kampf um die Verstetigung der Schulsozialarbeit sollen im September
dieses Jahres vor dem Landtag in Magdeburg stattfinden.
Bericht und Fotos: Nadine Müller, Bildungsreferentin des KKJR WB e.V.




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